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Das zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) stellt einen Paradigmenwechsel in der sozialen Pflegeversicherung dar. Zum 1. Januar 2017 dürfen wir eine tatsächliche Reform des Pflegesystems erwarten. Als ein Kernstück dieses Gesetzes gilt die verbindliche Einführung eines innovativen Pflegebedürftigkeitsbegriffes. Bisher wurden Menschen mit kognitiven Einschränkungen nicht genügend berücksichtigt.
Orientierte sich der Gutachter des medizinischen Dienstes der Krankenkassen bislang an dem verrichtungsorientierten Pflegeverständnis, so wird dieser „defizit.re Blick auf die geleistete Pflege“ ersetzt durch das wissenschaftlich geprägte Verständnis der Pflege. Es werden keine „Minutenwerte“ mehr erhoben und als Grundlage für die Genehmigung einer Pflegestufe betrachtet, sondern es steht die Selbstständigkeit des Patienten im Fokus. Zentraler Inhalt ist die Beurteilung der Ressourcen oder auch der Fähigkeiten, über die die Patienten noch verfügen. Die Erhaltung sowie die Wiederherstellung der Autonomie stehen im Vordergrund. Jegliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit soll zukünftig gleichwertig betrachtet werden. Die kognitiven und psychischen Leistungen sind den körperlichen Einschränkungen gleichgestellt. Ebenso haben Prävention und Rehabilitation absolute Priorität.
Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff gem.. (PSG II - §14 SGB XI) besagt:
„Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch Andere bedürfen.“
Im Gegensatz dazu steht der veraltete „Pflegebedürftigkeitsanspruch auf Pflegeleistungen“: Menschen sind pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen
Versorgung auf Dauer – voraussichtlich für mindestens sechs Monate – in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.“ Anhand dieser Gegenüberstellung wird der Paradigmenwechsel eindeutig klar. Die jahrzehntelange Diskussion über unterschiedliche Konzepte zur Neuformulierung des sozialrechtlichen Pflegebedürftigkeitsbegriffes zählt nicht mehr. Nun legen wir den Fokus auf den Patienten in seiner Ganzheitlichkeit und die pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse eines Expertenbeirats. Konstant ist, dass die Pflegebedürftigkeit auf Dauer, mindestens aber für die kommenden sechs Monate bestehen muss. Jeder ambitionierte Sozialarbeiter wird dankbar sein, dass die oft deprimierende „Suche nach Pflegeminuten“ zur Gewährung einer Pflegestufe oder gar Höherstufung, obwohl der zeitliche und „emotionale“ Pflegeaufwand stets gegeben war, endlich der Vergangenheit angehört. Dieser veränderte Pflegebedürftigkeitsbegriff beinhaltet eine differente Begutachtung. Das neue Begutachtungssystem (NBA) bildet nun beinahe den Mittelpunkt des Gesetzes, denn wir verabschieden uns von den Pflegestufen. Ab dem 01.01.2017 gelten die Einteilungen in fünf Pflegegrade, fokussiert auf die Bereiche, in denen der Betroffene noch selbständig ist.
Grundlage dieses NBA sind sechs Bereiche, die folgende Hilfebedarfe laut §14 Absatz 2 SGB XI umfassen:
Quelle: Referentenentwurf BMG, modifiziert von S. Natinger
Wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe dazu mit Nachdruck erklärt, werde niemand durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs schlechter gestellt und niemand, der bereits Leistungen beziehen würde, müsse einen neuen Antrag auf Begutachtung stellen.
Quelle: Referentenentwurf BMG modifiziert von S. Natinger
Um betreuenden Angehörigen oder Bezugspersonen die neuen Regelungen der tief greifenden Reform im Detail zu erläutern, können sie gerne an den kostenlosen Pflege- und Sozialberatungskursen oder am "Café Auszeit" (Gesprächskreis) teilnehmen.
Anmeldungen bei Susanne Natinger, Bereichsleitung Sozialdienst/Entlassungsmanagement, unter der Telefonnummer 02043/278-16 300 oder unter snatinger@kkel.de